Begründet Glauben

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Teil 2: Warum lässt Gott Leid zu? - mit Dr. Christian Hofreiter

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In seinem Vortrag stellt Dr. Christian Hofreiter verschiede philosophische Ansätze vor zu der Frage, warum Gott Leid zu lässt, und bewertet diese aus seiner Perspektive.

Kann Gott wirklich liebend und gleichzeitig allmächtig sein, wenn er so viel Leid auf der Welt zulässt? Und was hat Liebe mit Leid zu tun, wenn Gott Liebe ist?

Uns alle betrifft die Frage des Leids, egal, an was wir glauben.

Dr. Christian Hofreiter ist Senior Fellow des Pontes Institut für Wissenschaft, Kultur und Glaube und Research Fellow am Oxford Centre for Christian Apologetics.

Diese Folge gibt es auch auf YouTube: https://youtu.be/ue7NVaRhVSo

https://www.begruendet-glauben.org/podcast/ https://www.instagram.com/begruendet_glauben/


Kommentare

by Stefan on
Lieber Dr. Hofreiter. Vielen Dank für den Vortrag. Ich habe einfach spontan einmal meine Gedanken zum Thema zusammengefasst. Gott und das Leid Die Frage nach einem guten Gott und dem Leid beschäftigen die Gläubigen seit jeher. Epikur drückt es um 300 v. Chr. sinngemäß folgendermaßen aus: Wenn Gott das Leid beenden möchte und nicht kann ist er schwach und damit nicht Gott. Wenn Gott das Leid nicht beenden möchte ist er böse und damit auch nicht Gott. Wenn Gott das Leid beenden möchte und auch kann, warum gibt es dann so viel Leid? partielle Klärung In der Kirchengeschichte wurde eine Vielzahl von Erklärungsversuchen erarbeitet, die jeweils immer nur einen Teil des Leides erklären. Sie lassen sich wie folgt beschreiben: • Leid ist selbst verschuldet und die Konsequenzen des Leides trägt man, um sich zu bessern und zu lernen. Problematisch wird dieser Ansatz vor allem bei unverschuldeten Leid. • Kirchenvater Irenäus beschreibt Leid als eine Erziehungsmethode. Im Leiden überdenken wir unsere Prioritäten und richten uns wieder auf Gott aus. Auch hier steckt Wahrheit drin aber es erklärt zu wenig unverschuldetes Leid. • Eine dem Wesen des christlichen Glaubens diametral entgegenstehende Sichtweise sieht im Leiden immer eine Strafe oder Prüfung Gottes. Dieser starke Reduktionismus führt schlechthin zu Fatalismus und zeichnet ein grausames unwahres Gottesbild. • Nur durch Leid wird das Gute erkennbar. Auch diese Sichtweise verkürzt die Problematik des komplexen Leidthemas und thematisiert die Frage unverschuldeten Leides unzureichend. • Kirchenvater Augustinus sieht Leid als Preis der Freiheit und argumentiert mit der Würde des Menschen die vollkommen ausgeformt Freiheit innehaben muss. Gott beschränkt sich in seiner Freiheit um die Würde des Menschen willen. Unverschuldetes Leid ist somit eine logische Konsequenz und lässt sich mit neueren physikalischen Erkenntnissen untermauern, die ein holistisches Weltbild abzeichnen. Die Freiheit des Menschen kann positiv und negativ ausgelebt werden und hat in beiden Fällen direkte und indirekte Auswirkungen auf die übrigen Menschen, die Pflanzen- und Tierwelt. Und dennoch wird diese Erklärung einem vor allem unverschuldet Leidenden wenig Trost geben. Pauschalantworten bezüglich des Leides sind aus zweierlei Gründen unangebracht. Zum einen greift der gewählte Ansatz zu kurz, weil die Leidfrage weitaus komplexer ist. Weiterhin besteht die Gefahr eines Kategoriefehlers bei Leidenden, die in ihrer Situation Zuwendung auf emotional seelischer Ebene benötigen und nicht intellektuell abstrakte Deutungen. Der christliche Glaube bietet eine ganzheitliche Antwort auf die Theodizee, welche im Folgenden dargestellt wird. Ganzheitliche Klärung Leid ist integraler Bestandteil der Welt und bedarf daher einer holistischen Betrachtung. Vorausgesetzt wird hier die Existenz Gottes (inwiefern und wie Gott beweisbar ist wird in einer anderen Abhandlung bearbeitet). Angemerkt sei lediglich das Paradoxon der Theodizeefrage wenn sie intendiert, die Existenz Gottes zu verneinen: Wie will Leid objektiv als dieses beurteilt werden und nicht nur subjektiv als unangenehme Empfindung ohne die Existenz Gottes? Bestenfalls ist dann der moralische Kodex, welcher Leid als dieses klassifiziert einer von vielen, die sich schlussendlich zufällig entwickelt haben und nun nebeneinander existieren. Primäre Betrachtung der Leidfrage setzt bei der Wesenseigenschaft Gottes an, welche wiederholt und mit zunehmender Erkenntnis der Offenbarung Gottes als Liebe gesehen wird. Exemplarisch sei 1. Joh. 4,8 erwähnt. Gott ist Liebe. Wenn Gott Liebe ist resultieren sämtliche Handlungen von ihm aus dieser Eigenschaft heraus. Aus Liebe schuf Gott Menschen und Liebe Gottes ist der Grund menschlicher Existenz. Hätte Gott nicht sofort eine vollkommene Welt schaffen können? Gewiss! Aber unter diesen Umständen hätte etwas Vollkommenes etwas Vollkommenes geschaffen. Gott hätte „Zellteilung“ mit sich selbst gemacht. Gott ist dem Wesen nach vollkommene Liebe. Vollkommene Liebe wird aber nicht sichtbar, wenn sie nur vollkommenes liebt. Vollkommene Liebe beweist sich selbst, indem sie unvollkommenes, ja sogar böses, liebt. So betrachtet ist der Sündenfall eine notwendige Bedingung, um Gottes vollkommene Liebe erfahrbar zu machen. Paulus konstatiert in Rö. 8,20, dass die Schöpfung der Vergänglichkeit, also Unvollkommenheit, unterworfen ist, aber auf Hoffnung hin. Ganz im Sinne von Augustinus kann gesagt werden, dass vollkommene Liebe die Würde das Gegenüber achtet. Im Laufe der Weltgeschichte hat sich sehr viel Leid angehäuft. Hätte Gott daher nicht sofort das Böse beseitigen können? Gewiss! Damit hätte Gott seine Macht und Stärke bewiesen aber nicht seine Liebe. Gottes Liebe wird dadurch sichtbar, dass sie das Böse durch Liebe überwindet – ein langanhaltender Prozess. Diesen Gedanken formulierte Leibniz aus und beschreibt die vorfindliche Welt als die beste aller möglichen Welten in der Gott sein Liebesziel erreichen kann. Dies lässt sich einerseits empirisch naturwissenschaftlich untermauern durch das anthropische Prinzip. Minimale Abweichungen in den Naturkonstanten würden die Existenz dieses Universums und damit den Lebensraum der Menschen unmöglich machen. Es gibt eine beachtliche Feinanbstimmung des Universums. Andererseits ist die Betrachtung des Menschen möglich. In einer anderen Welt, die Gott leicht schaffen könnte, gäbe es die Menschen nicht, sie wie sie in dieser Welt leben. Aber Gott liebt und wollte genau diese Menschheit. In Phil. 2,5-11 spricht Paulus von einer Selbstentäußerung Gottes, die auf die Leidfrage angewandt werden kann. Gottes Wesen ist Liebe und diese gibt dem Menschen Leben und Wirkmacht. Gottes Gaben sind unwiderruflich und damit auch die von Gott gegebene Entscheidungsfreiheit mit der einhergehenden Wirkmacht der Menschen. Daher ist es plausibel, dass Gott bei genuinem Übel, also Übel ohne Zweck, nicht eingreifen kann, weil er sonst den Menschen seine Wirkmacht nehmen müsste und damit seine unwiderruflichen Gaben zurücknehmen müsste. Letzteres bedeutet nicht weniger, als dass Gott unberechenbar ist und es sich doch anders überlegen kann, womit wir niemals die letzte Sicherheit bei Gott hätten. Die letzte Sicherheit ist jedoch bei Gott – begründet in seinem Wesen, welches Liebe ist. In Anbetracht von genuinem Übel gibt es die Gewissheit, dass Gott immer wirkmächtig ist, indem er das Böse bzw. Übel mit Gutem überwindet und nicht lediglich mit seiner Macht eindämmt. Die klassische Frage, ob Gott das Übel nicht beseitigen kann, womit er nicht allmächtig ist oder beseitigen will, womit er böse ist und in beiden Fällen nicht Gott, hat einen Denkfehler inne. Es wird fälschlicherweise Allmacht damit gleichgesetzt, unwiderrufliche Gaben und damit die geschenkte Wirkmacht doch wieder weg zu nehmen. Im Grunde ist Gott dann aufgrund der Sündhaftigkeit der Menschen unberechenbar und angsteinflößend. Gottes Allmacht besteht darin, trotz Übel und Leid nicht Lieben aufzuhören. Welch ein Trost ist es, sich in jeder schlimmen Situation, egal ob verschuldet oder nicht, sich der Liebe Gottes bewusst zu sein, welche das Böse mit Liebe überwindet, indem sich Gott selbst entäußert und Mensch wurde. Deutung des Kreuzes Gottes Selbstoffenbarung gipfelt im Tod und der Auferstehung Jesu Christi. Gott geht den Weg der Liebe, indem er das Böse mit Gutem überwindet und selbst leidet. Bereits in der Frühgeschichte des Christentums bildete sich eine Vielzahl von Deutungsmöglichkeiten heraus, die einen ganzheitlichen Blick auf das Kreuzesgeschehen ermöglichen und nachfolgend beschrieben werden. • Das Kreuz als stellvertretendes Gericht stellt eine klassische Deutung des Kreuzes dar. Rö. 3,23 und 6, 23 schildern, dass der Mensch gesündigt hat und damit das Ziel seines Lebens verfehlte. Neben moralischen Verfehlungen gehören hier auch Lebensweisen dazu, die im Blick auf die Ewigkeit keinen Bestand haben. Jesus erlitt aus Liebe zu den Menschen diese qualvollen Konsequenzen, ja den aus der Sünde resultierenden Zorn Gottes. Jesus hat bildlich gesprochen die Sünden aufgenommen und entsorgt. Der schuldbeladene Mensch kann hier seine Sünden mit dazugeben und dadurch frei von der Sünde werden. • Das Kreuz stellt nach Kol. 2,15 einen Sieg über die lebensfeindlichen Mächte dar Opfer von Gewalt, Lieblosigkeit oder auch das eigene Versagen trennen uns vom Leben. Diese Trennung überwand Jesus in seinem Tod und der Auferstehung. Damit besteht Hoffnung. Und im Hier und Heute kann das neue Leben bereits stückweise trotz Leid beginnen. • Das Kreuz ist die ultimative Selbstoffenbarung Gottes und seiner Liebe. In Joh. 3, 16 wird deutlich, dass Gott nichts zu teuer ist für die Menschen und er schlussendlich sich selbst in seinem Sohn gab, damit wir leben können. Bildlich gesprochen ist Gott ins Dunkel der Menschen gekommen, damit sie ins Licht kommen können. • Das Kreuz als gegebenes Leben wird in Mk. 10, 45 oder Joh.10,11 deutlich. Gott setzt sich bildlich gesprochen als Diener, Hirte und Beschützer ein, weil sein Liebeswille das Leben der Menschen will und sie zum Leben befreien möchte. • Das Kreuz als Versöhnungszeichen, wie es in 2. Kor. 5,19 beschrieben wird, lädt den Menschen ein, die Versöhnung mit Gott anzunehmen. Der Mensch kann Versöhnung erlangen und zu Gott nach Hause kommen. Die in eigener Freiheit gewählten Wege ins Abseits können verlassen werden. • Das Kreuz als Hoffnungszeichen im Leiden.2. Kor. 1,5 beschreibt, dass es trotz Leid Trost und Ermutigung gibt. • Das Kreuz als Teilhabe am menschlichen Leiden. Mk. 15, 34 berichtet, die Jesus schrie, als er von Gott verlassen wurde. In seinem Sohn erfährt Gott selbst Schmerz und Verlassenheit. Damit identifiziert sich Gott auf das Äußerste mit den Menschen. Gott weiß was es heißt, verlassen mit Schmerzen ohne Hoffnung zu sein. • Das Kreuz als Anfang eines neuen Lebens schildert 2. Kor. 5,17. Altes ist vergangen und Neues hat begonnen. Damit besteht Hoffnung und Zuversicht trotz schlimmer äußerer Umstände. Der zweite Teil der Heiligen Schrift bietet eine Vielzahl von Kreuzesdeutungen. Einseitigkeiten und Verengungen verhindern den Blick auf Gottes Liebe. Durch das Kreuz und die Auferstehung Jesu werden die Ziele Gottes erreicht, welche u. a. in Off. 5, 13 ersichtlich sind. Güte, Gerechtigkeit und Liebe werden das letzte Wort haben. Praktische Konsequenzen Angesichts des Leides fasst Kant die angemessene Reaktion zusammen: „Der Gute gibt keine Antworten, sondern Hilfe.“ Leid wird immer wieder auftreten. Mittels Vernunft kann man Leid ein Stück weit vorbeugen oder verhindern. Gesundheitliche Prävention und tätige Nächstenliebe in Familie und Gesellschaft sind Mittel und Wege, die Liebe Gottes neben der Verkündigung des Evangeliums sichtbar zu machten.

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Über diesen Podcast

Gibt es Gott? Und wenn es ihn gibt, warum gibt es dann so viel Schlechtes in der Welt? Können wir überhaupt irgendwas über Gott wissen oder ist Gott nur Wunschdenken?

Warum denken so viele Menschen so unterschiedlich über Gott? Und wie können Menschen unterschiedlichen Glaubens gut zusammenleben? In welchem Verhältnis steht die Wissenschaft zu Gott?

Diese und ähnliche Fragen beschäftigen uns Menschen schon seit Jahrtausenden. Das IGUW (Institut für Glaube und Wissenschaft) wurde 1999 von Dr. Jürgen Spieß gegründet, um sich genau mit diesen Themen zu befassen und so den Dialog zwischen Glauben, Wissenschaft und verschiedenen Weltanschauungen zu führen.

Für diesen Podcast verarbeiten wir einereseits etliche Beiträge der letzten Jahre, aber produzieren auch immer wieder neue Inhalte.

von und mit Institut für Glaube und Wissenschaft

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